Frankfurt am Main|Frankfurt am Mord|Frankfurt am Reim


Schreiber schreiben *o*    Dichter dichten °t°   Reimer reimen *v*    Viel Spaß mit einer Auswahl unserer schönsten Gedichte aus den letzten zehn Jahren.

Winterschlaf

Schlaff in den Seilen.

Ein Sparring-Partner chancenlos

hängen und würgen wir das Jahr

bis ganz ans Ende.

 

Es kommt immer

etwas dazwischen

und sei es so

auch nur das Kapitälchen

das wir hier nicht

wollen (Word sei Dank).

 

Mein Herz so still

ein Zucken ist es nur

von Muskelmasse noch

wie fest geschraubt hängt

dort

im Brustkorb eine überreife

alte Frucht – es

schlägt

von Zeit zu Zeit und Puls genug

für dieses Jahr.

 

Ein Prosit dunklen leeren Nächten

im Frost erstarrt der graue Wind,

ein Flüstern nur,

das unser Leben hält

und dieses träge müde Pochen würzt:

die Fantasie.

Traum des Farns

Mein Leben folgt dem Schatten im Wald

seit Pflanzengedenken, in Kohle geerdet,

von Sauriern verdaut, karbonbäumealt,

blütenlos träumend und zweifach gebärdet.

 

In kugligen Wiegen drängen sich

die Zwillingsheere der Sporenkrieger.

Schwer trägt der Arm, die Wedel biegen sich

unter der Last der unzähligen Kapselflieger.

 

Der Wind reißt meine Kinder hinfort,

Tausendlinge kreiseln in seinem Hauch,

sein Atem trägt weit und lässt sie erst los

am Ziel ihrer Reise, am neuen Ort.

 

Sie grüßen die Erde, den Schlamm und den Mist,

und nisten und warten und wachsen und zittern

zum hässlichen Wesen, prothallisches Wittern,

das kaum erst erzeugt schon Erzeuger ist.

 

Der Regen reißt seine Maske hinfort

und baut flüssige Brücken am trockenen Ort,

der Gamet schickt seine Samen ins Feld

und gebärt und erschafft eine grüne Welt.

 

So drängt das Rhizom, entfaltet die Blätter,

die Basis zuerst, zuletzt erst die Spitze,

die Sprosse empor ins Vorfrühlingswetter

und streckt sich hinaus in die feuchtwarme Hitze.

 

Mein Leben folgt dem Schatten im Wald

seit Pflanzengedenken, in Kohle gepresst,

von Menschen verbrannt gewähre ich Halt

und lade euch ein zum Farnwedelfest.



Angezählt

Das Jahr zählt

immer anders

wählt man Sekunden,

Tage, Wochen, Runden

und für die Ewigkeit ist’s eh nur Peanuts,

ein Häutchen Mesokarp,

nicht mehr.

 

Und dennoch füllt ein Menschenjahr

in meiner Brust ein Unikum

so schwer und voll wie Tausend Tage

geboxtes Mesozoikum.

 

Durch Kreide kämpfen müde Donnerwesen

in Bits und Bytes verwolkt sich unser Denken.

Wir kotzen lieber um die Wette,

damit das Konsumieren schneller geht.

 

Das Holozän ist tief gealtert,

ein Greis, den niemand pflegen mag,

die dürre Hand fällt zitternd ausgestreckt

ins All geleert und ausgedrückt.

 

Es kümmert

nicht

das Anthropozän

scharrt

mit den Klauen

auf seiner Mutter

Erde Haut.

Schreck-Sekunde

Ich mag das ruhige Lied der Schrecken,

ihr sanftes Locken aus den Hecken,

grad im Moment:

Ich höre nichts.

Nicht ganz nicht nichts,

doch oh kein Zirpen.

 

Nicht mehr am Meer

und nicht bei uns

im Sommer wo sie zahlreich hocken

und aus den Hecken trillernd locken

nur mich

nicht mehr.

 

Die Erinnerung ist noch da, das schon

(ein Glück? Es lässt sich kaum ertragen).

Allein die Jahre sägen, nagen

an der, an meiner Physiologie

und meißeln Löcher in die Zellen

versickert Lebensenergie,

gefleckte Haut zerfällt in Wellen,

der Schweiß tropft stinkend aus den Poren -

ich fühl mich selten neugeboren -

und jetzt noch das: kein Zirpen, Zirren, Schwirren mehr!

Nur eine Saite ist gerissen

schon stockt die ganze Symphonie,

fehlt nur ein Ton in diesem Weltenklang

so wird Wehklagen aus Gesang.

Und ist’s ein Ton nur, der ein X

in meine schöne Gleichung bringt,

die Last des Fehlens wird mir schwer,

wenn nichts mehr in den Ohren schwingt.

 

So hock ich zitternd nackt auf schwerem Boden

such den Kontakt zu luftgen Arthropoden

und klammre mich an dieses Wissen fest:

Noch bleibt mir ja der Augen-Blick,

im Hören tu ich mir halt schwer.

Ein Dröhnen hallt in meinen Ohren:

„Jung bist Du Mensch schon lang nicht mehr.“